Wofür eigentlich zwei verschiedene Buchstaben? Ganz einfach, zur besseren Lesbarkeit. Und Jahr- hunderte lang hat es prima funktioniert. Fangen wir mit meinem Lieblingsbespiel an:
Wachstube
Was steht da? Egal was der Leser antwortet, ich behaupte etwas anderes. Wie jetzt? Nun, zum einen könnte die Wach-stube, zum anderen eine Wachs-tube gemeint sein. Schreibt man es richtig mit dem langem s, sind Verwechslungen ausgeschlossen: Wachſtube = Wach-stube und eben die Wachstube = Wachs-tube.
Oder die Versendung. Einmal die Verſendung eines Briefes oder das Ende eines Verses in der Lyrik.
Alles klar? Noch ein Beispiel: Kreischen
Na was habt ihr gelesen? Ein lautes Geräusch (Krei-schen) oder einen kleinen Kreis (Kreis-chen)? Mit dem langen s gibt es keine Verwechslungen: Kreiſchen (laut) und Kreischen (klein und rund).
Da im Deutschen das „S-c-h„ grundsätzlich als ʃ (Schule, Schaf, fischen) gesprochen wird, liest man, bei konsequenter Anwendung der Regel, plötzlich die lustigsten Wörter:
Höschen, Häschen, Röschen oder Radieschen.
Unangenehm nur, wenn aus Herrn Hoeschen ein Herr Hoes-chen wird oder aus Frau Röschen ein Fräulein Rös-chen. Geschmunzel im Wartezimmer. Richtig geschrieben, gäbe es keine Verwechslungen.
Herr Hoeſchen, Frau Röſchen.
Ein kleines Wort hätte ich hier beinahe vergessen: bißchen. Jaja, ich weiß, das schreibt man doch ganz anders. Früher hatte dieses kleine Wörtchen noch Biss. Ich meine Biſs. Biß. Das ß ist ja die Ligatur für ſs. Und jetzt?
bisschen
bischen? bis-schen? So ging es mir tatsächlich, als ich das Wort zum ersten mal nach der Rechtschreib- reform in einem Text las. Einen Moment lang war ich ziemlich ratlos. Früher wäre das nie passiert, auch ohne ß nicht. Da konnte man es nämlich auch so schreiben: biſschen. Und da jeder wußte, daß das runde s nur am Wort- und Silbenende steht, wurde es auch richtig gelesen.
Ja, früher wußten das alle. In meinem Duden von 1987 ist im Leitfaden 43 - 45 noch genau vorgeschrieben, daß bei Verwendung der deutschen oder gebrochenen Schrift ſ und s zu verwenden sind, und auch wie. Leider wissen das heute nicht mal mehr Schildermaler. Und das finde ich peinlich, vor allem, wenn man durch die Straßen seiner Heimatstadt geht und solche Sachen sehen muß:
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Schloßberg |
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Große Schloßgaſſe |
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Klausſtraße |
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Oleariusſtraße |
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Nikolaiſtraße |
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Kleinſchmieden |
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Ulrichſtraße |
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Jägergaſſe |
Intereſſant iſt dieſes Beiſpiel:
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Wo iſt das „ſ“??? |
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50 m weiter iſt das zu leſen! Fehlen nur noch die Ligaturen! |
Noch peinlicher, wenn Firmen wie Stempel-Wolf ſo ihre Produkte bewerben:
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Gutenbergs Tasse? Wem es nicht aufgefallen ist, eine Straße ist hier nicht gemeint. |
Oder fotolia ſo etwas anbietet:
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Dazu fällt mir echt nichts mehr ein... |
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König Splatz?
Hier findet man zur Abwechslung eine langes ſ am falſchen Platz.
So möchte ich, auch als Nichtſehbehinderter, das Schild nicht ſehen.
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Zum Schluß noch etwas anderes:
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Ein ß hat zwiſchen Großbuchſtaben nun gar nichts zu ſuchen. |
Ich bin mir ſicher Euer nächſter Stadtbummel wird intereſſant. Viel Spaß beim Fehler finden.
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Wäre hier jetzt noch ein neues „altdeutſches“ Schild mit falſchem s geweſen...Mannomann! |
Wer noch mehr über unſere Schrift erfahren möchte, dem empfehle ich den
Euer Wotan ;o)
P.S. Ich habe die Firma Stempel-Wolf kontaktiert und auf meinen Beitrag zur Verwendung der Deutschen Schrift hingewiesen.
P.P.S. Stempel-Wolf ist es anscheinend egal (kein Kommentar bis dato). Nun denn, ich habe ein Paradebeispiel und meine Leser ihren Spaß ;o)
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